Einführung einer Pflicht zur Anzeige von Steuergestaltungen
Die EU-Richtlinie (sogenannte DAC 6-Richtlinie) des Rates über EU-weite Anzeigepflichten für bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen wurde im März 2018 erlassen. Sie hat unter anderem zum Ziel, mehr Transparenz herzustellen und Informationen zu liefern, damit die Finanzverwaltungen gegen aggressive Steuergestaltungen rechtzeitig vorgehen können. Die einzelnen Mitgliedstaaten haben bis zum 31.12.2019 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Finanzminister der Bundesländer Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben am 21.06.2018 im Rahmen einer Arbeitsgruppe ohne Beteiligung des BMF einen Entwurfstext für ein „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Anzeige von Steuergestaltungen“ („§ 138d AO-E“) vorbereitet, welcher nicht nur die Anzeige von internationalen Steuergestaltungen vorsieht, sondern auch bestimmte rein nationale Steuergestaltungen einer Anzeigepflicht unterwirft und damit über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht. Der Entwurf zu § 138d AO wird in der gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie diskutiert werden. Es ist davon auszugehen, dass er in einen vom BMF vorzulegenden Gesetzesentwurf einfließen wird. Daher werden nachfolgend die wesentlichem Merkmale des § 138d AO-E dargestellt und einer ersten Analyse unterzogen.
Meldepflichtiger
Zur Anzeige soll laut § 138d AO-E in erster Linie verpflichtet sein, wer als Intermediär tätig wird. Ein Intermediär ist, wer eine Steuergestaltung (siehe unten) vermarktet, zur Nutzung bereitstellt, für andere konzipiert, organisiert oder die Umsetzung einer Steuergestaltung unterstützt. Meldepflichtig können dadurch nicht nur Steuerberater werden, sondern auch Rechtsanwälte, Banker oder sonstige Berater.
Ein Tätigwerden des Intermediärs liegt beispielsweise vor, wenn die Steuergestaltung (1) entweder gegen ein Entgelt oder einem anderen wirtschaftlichen Vorteil an den Steuerpflichtigen weitergegeben wird, (2) für die Steuergestaltungen auch gegenüber Personen geworben wird, zu denen keine dauerhafte Geschäftsbeziehung besteht, (3) das Entgelt für die Steuergestaltung zumindest teilweise nach dem zu erwartenden Steuervorteil bemessen wird oder (4) sich der Steuerpflichtige zu Geheimhaltung der Steuergestaltung verpflichtet.
Anzeige durch den Steuerpflichtigen und Ausnahmen
Um Steuergestaltungen von Konzernsteuerabteilungen, Family Offices oder ausländischen Intermediären erfassen zu können, sind auch Steuerpflichtige zur Anzeige verpflichtet, die die Steuergestaltung nutzen wollen.
Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen einer anzeigepflichtigen Gestaltung sind einige Ausnahmen für den Steuerpflichtigen vorgesehen, um laut Begründung des Gesetzesentwurfes lediglich „Spitzenverdiener“ der Anzeigepflicht zu unterwerfen. Zur Anzeige sind Steuerpflichtige dann nicht verpflichtet, wenn (1) deren Summe der positiven Einkünfte in zwei der drei Jahre, die dem Entschluss, die Steuergestaltung zu nutzen, vorangehen weniger als 500.000,00 € beträgt, (2) eine übermittelte Registriernummer (auch einer vorangegangenen Meldung des Intermediärs s. o.) vorgehalten wird oder (3) in diesem Zusammenhang ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gestellt wurde.
Meldepflichtige Gestaltungen
In dem Entwurfstext wird die anzeigepflichtige Gestaltung mit Hilfe von drei Komponenten definiert, um klar abgrenzbare und bedeutsame Fallgestaltungen darzulegen. Die Komponenten umfassen eine abstrakte Definition, positive Regelbeispiele mit spezifischen Kennzeichen und negative Regelbeispiele mit Ausschlussgründen. Zur Beurteilung einer meldepflichtigen Gestaltung müssen alle drei Komponenten in einer Gesamtschau betrachtet werden. Meldepflichtige Gestaltungen können sich aus allen steuerlichen Bereichen ergeben (Ertrag-, Substanz- und Verkehrsteuern).
Der Gesetzesentwurf definiert jede Transaktion, die gesetzliche Regelungen kombiniert und Sachverhalte geplant verwirklicht und als Ziel entweder (1) die Verringerung des deutschen Steueranspruchs einschließlich der im Abzugsweg erhobenen Steuern oder (2) die Entstehung solcher Steueransprüche in andere Besteuerungsräume oder Besteuerungszeitpunkte zu verschieben oder (3) Ansprüche aus Steueranrechnung oder Steuererstattung hat, als Steuergestaltung.
Auch die positiven Regelbespiele sind abstrakt formuliert, da diese sich auf künftige, noch nicht verwirklichte Steuergestaltungen beziehen müssen. Eine Orientierung erfolgt an den Merkmalen der Steuergestaltungen der Vergangenheit, wie beispielsweise „double dip“, „cum/cum“, „Goldfinger“ oder „Bondstripping“. Demnach liegt eine Steuergestaltung in der Regel vor, wenn steuermindernde Tatsachen mehreren Steuerpflichtigen, mehrmals demselben Steuerpflichtigen oder einem anderen Steuerpflichtigen zugeordnet werden sollen. Eine Steuergestaltung liegt auch vor, wenn mit der Transaktion Gewinn- und Verlustschwankungen mit gegenläufigen Steuersatzwirkungen herbeigeführt, eine unterschiedliche Zuordnung von Gesamtkosten bei der Übertragung von gleichwertigen Wirtschaftsgütern bewirkt werden sollen oder die Transaktion mit Gesellschaften durchgeführt werden soll, die keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Zudem werden zirkuläre Transaktionen und Umwandlungen von Einkünften in Kapital, Schenkungen oder in andere niedrig besteuerte oder steuerbefreite Einnahmearten anzeigepflichtig.
Eine Steuergestaltung liegt in der Regel nicht vor (Ausschlussgründe), wenn (1) sie entweder auf Besonderheiten beim Steuerpflichtigen zugeschnitten ist, sodass keine Übertragbarkeit vorliegt, (2) bereits nachweislich bekannt ist, (3) von natürlichen Personen ohne Hilfskräfte für eigene Zwecke konzipiert wird, (4) bereits aufgrund anderer Vorschriften angezeigt werden muss (zum Beispiel § 36a Abs. 4 EStG) oder (5) der Barwert des Steuervorteils im Einzelfall insgesamt 50.000 € nicht übersteigt.
Durch die abstrakte Definition des Tätigwerdens als Intermediär und der Steuergestaltung mit anschließenden Regelbeispielen soll laut der Gesetzesbegründung eine Abgrenzung zur „normalen“ Steuergestaltung möglich sein, um diese von der Meldepflicht auszunehmen.
Verfahren
Die Meldung muss innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt des anzeigepflichtigen Ereignisses beim Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz erfolgen. Das anzeigepflichtige Ereignis kann sich entweder aus dem erstmaligen Tätigwerden des Intermediärs oder aus dem erkennbaren Entschluss des Steuerpflichtigen, die Steuergestaltung nutzen zu wollen, ergeben.
Für jede angezeigte Steuergestaltung wird eine Registriernummer vergeben, die der Intermediär an den nutzenden Steuerpflichtigen weiterzugeben hat. Hält der Steuerpflichtige die Registriernummer vor, so ist er nicht zur Anzeige der Steuergestaltung verpflichtet.
Der Intermediär hat zudem im Jahr der Anzeige und in den folgenden drei Jahren halbjährliche Folgemeldungen, jeweils bis zum 10. Juli zu übermitteln, in welchen er die Anzahl der vermarkteten, konzipierten oder umgesetzten Steuergestaltungen angibt.
Die Steuergestaltung muss im Rahmen der Anzeige abstrakt beschrieben werden, damit diese inhaltlich und steuerrechtlich nachvollzogen werden kann. Die entstehenden steuerlichen Effekte müssen dargestellt werden. Bei der Anzeige durch einen Intermediär ist die Nennung des Steuerpflichtigen nicht erforderlich, da keine Rückschlüsse auf das Besteuerungsverfahren gezogen werden. Dies hat zur Folge, dass keine Rückmeldung an den Steuerpflichtigen seitens der Finanzverwaltung erfolgt, ob eine anzunehmende Gestaltung vorliegt. Damit entfaltet das Meldeverfahren keinerlei Bindungswirkung wie beispielsweise die verbindliche Auskunft.
Geplantes verwaltungsinternes Verfahren
Das Bundeszentralamt für Steuern übersendet nach einer ersten Einschätzung der meldepflichtigen Gestaltung die Anzeige an Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen und der obersten Finanzbehörden (sogenannte Task Force). Die Task Force prüft, ob es sich um eine unerwünschte Gestaltung handelt oder ob diese anerkannt werden kann. Zudem wird untersucht, ob gesetzlicher Änderungsbedarf besteht. Es erfolgt eine turnusmäßige Berichterstattung an den Finanzausschuss des Bundestages.
Sanktionen
Werden meldepflichtige Steuergestaltungen nicht angezeigt, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einer Geldbuße von bis zu 100.000,00 € geahndet werden kann. Verletzt der Intermediär seine Anzeigepflicht, werden mindestens 200 € pro Tag der Fristüberschreitung festgesetzt.
Zeitliche Anwendung
Meldepflichtige Steuergestaltungen sind nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes anzuzeigen, sofern das anzeigepflichtige Ereignis nach Inkrafttreten eintritt. In der Übergangszeit des ersten halben Jahres sind Erleichterungen bezüglich der Folgemeldungen vorgesehen.
Ausblick und Würdigung
Der Gesetzesentwurf (§ 138d AO-E) sieht vor, dass auch rein nationale Steuergestaltungen angezeigt werden müssen. Eine „Anzeigeflut“ an das Bundeszentralamt für Steuern ist trotzdem nicht zu erwarten, da durch die positiven und negativen Regelbeispiele sowie durch die Ausnahmen ein enger Anwendungsbereich zu erwarten ist. Zudem sind „normale“ steuerliche Gestaltungen in der Regel explizit auf einzelne konkrete Sachverhalte zugeschnitten und damit eben nicht auf eine Vielzahl von Fällen übertragbar, wodurch keine Meldepflicht entsteht, was aus Sicht der Beratungspraxis grundsätzlich zu begrüßen ist.
Dennoch darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass die DAC 6-Richtlinie lediglich eine Meldepflicht für internationale und ertragsteuerliche Gestaltungen vorsieht. Auch wenn der Wunsch des Gesetzgebers nach frühzeitiger Kenntnis über unvorhersehbare Wirkung von Steuergesetzen nachvollziehbar ist, stellt eine nationale Anzeigepflicht auch bei einem engen Anwendungsbereich eine unverhältnismäßige Belastung dar.
Zudem erscheint es nicht sachgerecht, in erster Linie den Intermediär der Anzeigepflicht zu unterwerfen, wenn dieser der Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Vielmehr sollte in diesen Fällen eine durch die Richtlinie vorgeschlagene ausschließliche Anzeigepflicht durch den Steuerpflichtigen geregelt werden. Der Intermediärs erfüllt seine Hinweispflicht, indem er den Steuerpflichtigen auf eine eventuell bestehende Anzeigepflicht aufmerksam macht.
Des Weiteren sollte eine Meldepflicht seitens des Intermediärs oder des Steuerpflichtigen auch eine kurzfristige Reaktionspflicht der Finanzverwaltung mit sich bringen, um eine gewisse Planungssicherheit für den Steuerpflichtigen zu schaffen. Eine sachgerechte Auswertung der eingegangenen Meldungen erfordert ohnehin eine zeitnahe Befassung seitens der Finanzverwaltung, sodass die Ausgestaltung des § 138d AO-E als Kooperationsmodell angemessen scheint.
Ob dieser neue Gesetzesentwurf geeignet ist, eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch frühzeitiges Eindämmen von unangemessenen Steuergestaltungen sicherzustellen, wird sich in der Praxis zeigen. Eine direktere Umsetzung der Richtlinie durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert. Steuerpflichtige und ihre Berater sollten sich frühzeitig mit den neuen Rahmenbedingungen auseinandersetzen und gegebenenfalls Meldepflichten beachten. Ihr TAXGATE Team unterstützt Sie bei der Steuerplanung im Sinne legaler und nachhaltiger Gestaltungen.
Veranstaltungshinweis: Der Entwurf zu § 138d AO unter anderem Gegenstand eines Vortrages von Dr. Thomas Elser im Rahmen der TAXGATE Academy am 24.09.2018.
Tatjana Scheufler ist Steuerberaterin bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Kanzlei TAXGATE.