Der BFH hat mit Urteil vom 14.05.2019 (VIII R 31/16) entschieden, dass die pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG, die vom Steuerpflichtigen durch den Nachweis der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG abgewendet werden kann, nicht gegen Europarecht verstößt und mit dem Grundgesetz vereinbar sein soll.

Wie bereits von der Vorinstanz festgestellt, sieht der BFH auch keine Möglichkeit die Besteuerungsgrundlagen für intransparente Fonds anhand der vom Kläger eingereichten Jahresberichte nach § 6 Abs. 2 Satz 1 zu ermitteln. Die Kläger haben keine Angaben zu den bei thesaurierenden Investmentfonds erforderlichen Besteuerungsgrundlagen, insbesondere zum Betrag der ausschüttungsgleichen Erträge gemacht, sondern „lediglich“ das nach den Jahresberichten auf ihre jeweiligen Fondsanteile entfallende Nettoergebnis der Anlagen für die jeweiligen Streitjahre ermitteln.

Damit fand [zumindest in Teilen]* auch das Plädoyer der Praxis von Stiegler/Betz (in DStR Heft 27/2017, S. 1463: Übermaßbesteuerung bei unvollständigem Nachweis über tatsächliche Erträge aus intransparenten/ schwarzen Investmentfonds) keinen Eingang die Überlegungen des BFH, keine überhöhten, unmöglichen Forderungen an eine solche Nachweiserbringung zu stellen. Es zeigt sich damit einmal mehr, dass bei der Vielzahl derzeit noch offener Fälle eine massive Übermaßbesteuerung der Steuerpflichtigen eintreten kann.

*Jedenfalls hat es der BFH (vgl. unter II.2.b.cc) explizit offen gelassen, ob es im Falle eines vollständigen Nachweises nach § 6 Abs. 2 S. 1 InvStG 2004 im Hinblick auf die erklärten Besteuerungsgrundlagen neben einer Berufsträgerbescheinigung und eines zum jeweiligen Geschäftsjahresende gültigen Jahresberichts, darüber hinaus auch kumulativ Verkaufsprospekte, Summen- und Saldenlisten aus der jeweiligen Fondsbuchhaltung, Überleitungsrechnungen und eine Anlage für die Gewinn- und Verlustvorträge bezogen auf die einzelnen Ertragsarten vorzulegen sind (vgl. die Auffassung der Finanzverwaltung und s. auch BT-Drs. 18/8045, S. 130).

Der EuGH hatte in seiner van Caster-Urteil entschieden, dass es dem Steuerpflichtigen möglich sein muss, Unterlagen oder Informationen beizubringen, um die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachzuweisen. Dabei hatte es der EuGH der Finanzverwaltung überlassen, Nachweise zu bestimmen, die eine ordnungsgemäße und einheitliche Besteuerung ermöglichen. Die Finanzverwaltung und später der Gesetzgeber haben daraufhin an die Nachweiserfordernisse im Hinblick auf die Ertragsbesteuerung des Anlegers in intransparente Fonds hohe Hürden gestellt. Die erforderlichen Nachweise gehen dabei soweit, wie diese sonst ein (semi-)transparenter Investmentfonds erbringen würde. Dies wird in der Praxis als nahezu undurchführbar betrachtet (vgl. Stiegler/Betz DStR 2017, S. 1463, Meinert NWB 2015, S. 1328; Elser/Thiede NWB E+V 2015, S. 104; Höring GStB 2016, S. 47). Es ist zum einen sehr unwahrscheinlich und darüber hinaus kaum durchsetzbar, dass ausländische Fondsgesellschaften, denen das deutsche Besteuerungsregime nicht bekannt ist, entsprechende Unterlagen (zBsp. steuerliche Überleitungsrechnung, Summen- und Saldenliste aus Buchhaltung) aufarbeiten und bereitstellen, die einen weiteren Nachweis über die tatsächlichen Erträge ermöglichen würden, wenn schon testierte Fondsjahresberichte vorliegen. Zum anderen haben private Anleger anders als große institutionelle Anleger in aller Regel keine Möglichkeit, auf Investmentfonds einzuwirken, ihre Erträge nach den deutschen Verwaltungsanforderungen offenzulegen. Wenngleich diese Vorgehensweise offensichtlich unionsrechtlich (vgl. EuGH van Caster) keine Bedenken nach sich zieht, kann dies in der Praxis zu nicht erfüllbaren Anforderungen führen. Insoweit trifft auch die wohlmeinende Vermutung des EuGH in seiner Urteilsbegründung, wonach Steuerpflichtige sämtliche erforderliche Angaben von den betreffenden ausländischen Investmentfonds erhalten können, nur in wenigen Ausnahmefällen zu.

Entgegen der Auffassung des BFH sollte ausreichend sein, die Gesamterträge des jeweiligen intransparenten Fonds nachzuweisen, ohne eine detaillierte Aufteilung der jeweiligen Erträge (Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgeschäfte etc) zu verlangen. Die in den Fondsjahresberichten ausgewiesenen Gesamterträge enthalten typischerweise alle erzielten Erträge sämtlicher Ertragsarten und damit auch solche, die nach deutschem Investmentsteuerrecht privilegiert werden würden. Diese Herangehensweise sollte auch dem zweckorientierten Verständnis des EuGH im Sinne einer sachgerechten Schätzung nach § AO § 162 AO nahekommen (vgl. Simonis/Faller/Oehlschlägl DB 2015, S. 2859f.) Dass eine an den (testierten) Fondsjahresberichten orientierte Berechnung der tatsächlichen Erträge „als Schätzungsgrundlage für ein der Wirklichkeit nahe kommendes Ergebnis“ geeignet sein kann, hat bereits das vorinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf anerkannt. Ein „der Wirklichkeit nahe kommendes Ergebnis“ wäre es doch die Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge eines thesaurierenden Fonds auch Grundlage des Nettoergebnisses des thesaurierenden Fonds zu bemessen. Etwaige Abschreibungen auf Kapitalanlagen des Fonds sind aus dem Fondsjahresbericht ersichtlich und könnten entsprechend korrigiert werden.

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Dr. Tobias Stiegler ist Steuerberater bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Kanzlei TAXGATE

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