Die EU-Kommission verfolgt weiterhin das Ziel, die missbräuchliche Nutzung sog. Briefkastengesellschaften einzudämmen. Nachdem der Richtlinienentwurf (Proposal for a Council Directive laying down rules to prevent the misuse of shell entities for tax purposes and amending Directive 2011/16/EU – „ATAD 3-E“) zur Bekämpfung solcher Gestaltungen bereits seit dem 22.12.2021 vorliegt, ist davon auszugehen, dass die neuen Regelungen wie vorgesehen zum 01.01.2024 in Kraft treten werden – auch wenn seither noch keine finale Fassung der Richtlinie vorliegt und demzufolge keine Aktivitäten der deutschen Gesetzgebung zur Umsetzung in nationales Recht (die spätestens zum 30.06.2023 erfolgen soll) erkennbar sind.

ATAD 3 ist ein weiteres, ergänzendes Modul der generellen EU-Strategie, Steuervermeidung entschlossen entgegenzutreten (Anti-Tax-Avoidance-Directive – ATAD) und basiert letztendlich auf dem BEPS-Projekt der OECD (Base Erosion and Profit Shifting). Im Rahmen dieses Projekts wurden bereits einige Aktionspunkte im Rahmen von ATAD 1 und 2 umgesetzt, welche die Rahmenbedingungen für internationale Gestaltungen massiv verändert haben (zB. Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerung, Hinzurechnungsbesteuerung, Zinsschranke). Im Blick sollte man zusätzlich den neuen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Debt-Equity-Bias-Reduction-Allowance („DEBRA“) haben, bei dem eine über die Zinsschranke hinausgehende Zinsabzugsbeschränkung aufkommen könnte. Dieser möglicherweise bevorstehende massive Eingriff soll Eigenkapital mittels eines Freibetrags (fiktive steuerlich abzugsfähige EK-Verzinsung) fördern und im Gegenzug den Zinsabzug für Fremdkapital auf 85% begrenzen, wobei diese Regelungen im Gegensatz zu den ATAD-Regelungen für alle in der EU ansässigen Unternehmen unabhängig von einer grenzüberschreitenden Tätigkeit gelten würden.

Im Visier stehen bei ATAD 3 substanzschwache Gesellschaften, üblicherweise als Briefkastenfirmen (shell companies) bezeichnet. Wenngleich die Regelungen voraussichtlich erst 2024 in Kraft treten, ist eine rechtzeitige Befassung mit dem Konzept der ATAD 3 unabdingbar für alle grenzüberschreitenden Konzern- und Investmentstrukturen innerhalb der EU (Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen; außerhalb der EU ansässige Unternehmen sind von ATAD 3 nicht erfasst, sie sollen indes später gesondert reguliert werden). Vorgesehen ist ein zweistufiges Prüfschema, anhand dessen festgestellt werden soll, ob eine steuerschädliche Briefkastenfirma vorliegt:

Prüfschritt 1: Gateway-Test

Anhand von drei Kriterien, die kumulativ vorliegen müssen, wird ermittelt, ob ein sog. berichtspflichtiges Unternehmen vorliegt.

  • Überwiegend passive Einkünfte (mehr als 75%)
  • Überwiegend grenzüberschreitende Tätigkeit
  • Outsourcing von Tagesgeschäft und wichtigen Managemententscheidungen (zB. über ein Director´s Office)

Fehlt nur eines dieser Merkmale, so ist die Prüfung abgeschlossen und das Unternehmen kann nicht als Briefkastengesellschaft qualifizieren.

Prüfschritt 2: Substanztest

Rechtsfolge, wenn alle Kriterien erfüllt sind: Solchermaßen qualifizierte Unternehmen unterliegen einer gesonderten Berichtspflicht gegenüber der zuständigen nationalen Finanzbehörde. Sie müssen in ihrer Steuererklärung zusätzliche Angaben machen bezüglich der erforderlichen Mindestsubstanz (eigene Räumlichkeiten, Bankkonto, Anforderungen an Geschäftsleitung und Mitarbeitende). Ausnahmen sollen ua. für bestimmte Holding- und Finanzunternehmen gelten. Nur wenn eine Gateway Entity auch den nunmehr recht klar geregelten Substanztest verfehlt, treten die unangenehmen Rechtsfolgen mit voller Wucht ein. Insbesondere sollen solche Firmen nicht mehr Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Richtlinien nutzen können. Mächtiges Instrument dafür ist die Versagung bzw. Einschränkung der Ansässigkeitsbescheinigung für die betroffenen Firmen.

Fazit: Die Versagung bestimmter Steuervorteile für substanzschwache Unternehmen ist zwar nichts Neues, da das deutsche Steuerrecht traditionell bereits über die §§ 39 bis 42 AO Briefkastenfirmen entgegentreten konnte, allerdings sollten sich durch ATAD 3 die bisherigen Auslegungsfragen vereinfachen durch weitgehend klare Vorgaben für den künftig EU-einheitlichen Gateway- und Substanztest. Es bleibt abzuwarten, wie die deutsche Gesetzgebung ATAD 3 letztendlich bis zum 30.06.2023 in nationales Recht umsetzen wird. Allerdings müssen betroffene Unternehmen bereits für die Jahre 2022 und 2023 entsprechende Nachweise vorhalten, da sich der Substanztest 2024 teilweise auf Daten der beiden Vorjahre bezieht. Ausweichmanöver über nicht in der EU aufgestellte Briefkästen scheinen nicht ratsam, da diese wahrscheinlich in naher Zukunft über ähnliche Vorschriften reguliert werden; für Steueroasen sind ohnehin schon heute scharfe Restriktionen in Kraft (s. TAXGATE Blog vom 02.03.2021 https://www.taxgate.com/der-naechste-wurf-im-steuerdschungel-das-steueroasen-abwehrgesetz/)

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